Bleek, Kapitel VI
Willi Schedlmayer | 7. Mai 2011Jennifer Bleek: Blick und Welt. Filmästhetische Konstruktionen beim frühen Terrence Malick. Wilhelm Fink Verlag, 2009, 232 Seiten inkl. 32 Seiten Farbtafeln, Kart., ISBN: 978-3-7705-4788-3
Erster Teil: Konvention und Kontingenz in Badlands (p. 13-79)
VI. Das Gewicht der Welt (p. 72-79)
Am Schluss des Films sind beide Hauptfiguren in Polizeigewahrsam und in ihrer Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt (gefesselt, unter Aufsicht). So ist der Ablauf des Geschehens stärker als je zuvor auf die soziale Umgebung verwiesen. Letztlich werden beide mit dem Flugzeug nach South Dakota zurückgebracht und vor Gericht gestellt. Aus Hollys Erzählung erfahren wir, dass Kit verurteilt und hingerichtet wird, während sie selbst mit einer bedingten Strafe davon kommt und den Sohn ihres Anwalts heiratet.
Woran liegt es? In knappen Sätzen beschreibt Bleek die Bilder, den Ton, die Erzählung Hollys und die Musik. Als hätte sie etwas vom Lakonischen des Film übernommen. Die Parataxe liegt ihr mehr als der Schachtelsatz. Es hat etwas Versöhnliches für mich – nach so viel Krampf in vielen Details! Aber dann freilich auch wieder die unvermeidlichen Bleeksätze, die geborgten Phrasen vom „Gewicht der Welt“, die völlige Verkennung.
1. Inhalt der Schlusssequenz (p. 72)
Nachdem, während, dazwischen, parallel zu, als – die die meisten Sätze sind zweiteilig. Auch nicht schlecht! Dazwischen herrlich einfache Sätze:
„Eskortiert von Dutzenden von Staatsbeamten läuft das Paar zur Startbahn.“
„Holly lächelt.“
2. Die verschiedenen Welten
a. Die Welt der Staatsmacht und Kit
Aufmerksam beschreibt Bleek die einzelnen Bilder der Schlusssequenz, dann wird doch wieder eine Interpretation übergestülpt:
.. der Eindruck (…), dass bei aller Dramatik der Vorgänge im Zentrum das Leben ungerührt weiter seinen gewohnten Gang geht. (p. 74, Auslassung von mir)
b. Hollys Welt und Kit
Indirekte Rede und eine einwandfreie Feststellung:
Kit redet Holly gut zu. Sie solle sich keine Sorgen machen, er werde sie vor Gericht entlasten. Es gebe noch viele nette Jungs. Das Leben liege noch vor ihr. Kits Gesicht in einer Nahaufnahme (Abb. 85) wird gegengeschnitten mit einer halbnahen Einstellung von Hollys Gesicht (Abb. 86). (p. 74)
c. Die Welt der Gesellschaft und Kit
Weiterhin wird das Gewicht der sozialen Welt spürbar gemacht durch die Art, wie die Gesellschaft ins Bild rückt. (p. 75)
Phrase plus Bildlichkeit – es beginnt etwas zu verschwimmen.
3. Besonderheiten der Inszenierung von Kits Ende
a. Einsatz der Musik und Schlussbilder
Meine Lieblingsparataxen:
Das Metall der Radkappen und Längsverstrebungen schimmert rosa im Abendlicht, der Asphalt ist in rötliches Licht getaucht. Die Reifen wölben sich leicht unter der Last. Das weiche Material gibt dem Druck nach. (p. 76)
Solche Prosa darf man loben – leider kommt dann sogleich wieder ein Satz, in dem unnötigerweise die Beobachtung in ein Gefühl übergeführt wird:
Ein Gefühl von Nachgeben und Weichheit wird vemittelt, aber auch von Nachdrücklichkeit und Abgeschlossenheit. (p. 76)
b. Einsatz der Stimme Hollys im Off
Klang und Rhythmus verbinden sich nahtlos mit der Musik (p. 76)
Natürlich steht nicht nur dieser schöne Satz in diesem Unterkapitel – aber dass noch die kleinsten Beobachtungen kapitelmäßig aufgemotzt werden liest sich fast wie eine Wissenschaftsparodie. War sie so gemeint? Gleichviel – wir dürfen uns nicht ärgen, sondern bleiben heiter.
c. Kits Isolation in seiner Welt
Wie gesagt: auch hier die Isolation kleinster Sinnzusammenhänge in einer pseudowissenschaftlichen Gliederung.
4. Das Gewicht der Welt
Das Gewicht der Welt und die sie durchdringende Kontingenz werden wahrnehmbar durch das Ende der männlichen Figur. Es geht um das Schicksal von Kit; es geht um die Frage, wo die Instanz ist, die dieses Leben so zu Ende gebracht hat. Die Staatsmacht beantwortet nicht die Frage, wer eigentlich das Schicksal der Figuren lenkt. Und auch eine göttliche lenkende Macht ist nicht erkennbar. Kit erscheint als jemand, der der Welt abhanden gekommen ist, ohne dass es dafür eine Erklärung gäbe. (p. 79)
Diese Massierung von Phrase, Worthülsen und Unsinn ist schwer erträglich für mich. Wo nimmt Bleek denn auf einmal diese Frage nach dem „Schicksal“ von Kit her? Wieso ist es so rätselhaft, dass er, der zum Tode verurteilt wird, der Welt abhanden kommt? Ein Serienmörder stellt sich, wird verurteilt und hingerichtet – das ist kein unerklärlicher Zusammenhang.
Eigentlich schade, dass die teilweise genaue Beobachtung einzelner Filmsequenzen letztlich nicht zu einer erst zu nehmenden Interpretation führt.